Teetrinker wie ich kennen diesen Gesprächseinstieg:
„Kann ich dir was zu trinken anbieten? Einen Kaffee?“
„Nein, danke. Ich trinke keinen Kaffee.“
Betretenes Schweigen.
„Oder ein Wasser?“
„Wasser wäre toll, danke.“
An normalen Tagen macht mich meine Kaffee-Aversion einfach nur ein bisschen ungesellig. Aber heute ist ein anderer Tag, denn heute treffe ich Fabian Vandrey. Den Barista der Kaffeewerkstatt Braderup. Einen, dem schon seine Berufsehre gebietet, nichts mehr zu lieben als frisch aufgebrühten Kaffee – gleich nach Familie, Freunden und Haustieren vielleicht.
Seine Leidenschaft löst bei mir also nichts aus. Das fühlt sich nicht richtig an. Ich schüttele ja auch nicht dem Fleischer die Hand und erkläre ihm gleichzeitig, dass ich Vegetarier bin oder dem Konditor, dass ich nicht so auf Süßes stehe. Das geht nicht. Das macht man nicht.
Süß und fruchtig statt bitter und herb
Doch die Reaktion von Fabian verläuft in erfreulich gesitteten Bahnen. Mein Geständnis als Nicht-Kaffeetrinker beantwortet er mit einem kurzen „Okay. Wow.“ und weckt seinen Ehrgeiz: „Wenn du möchtest, koche ich jetzt mal einen Kaffee, den du vielleicht auch trinkst.“ Ich möchte und er schmeißt den Wasserkocher an und bereitet mir in einer Glaskaraffe einen Filterkaffee zu, der geschmacklich nichts zu tun hat mit meinen wenigen, Jahrzehnte alten Erinnerungen an Kaffee – die Aromen in meinem Mund verbinde ich mit süß und fruchtig, statt mit bitter und herb.
Seine mitreißende Art, wie er über Kaffee spricht, bringt mich kurz zu der Frage, ob er selbst heute vielleicht schon etwas zu viel Kaffee getrunken hat. Aber meine innere Stimme verneint. Fabian ist nicht aufgedreht von zu viel Koffein, sondern einfach nur begeistert und überzeugt von dem, was er da macht. Obwohl er zugibt, reichlich Kaffee zu trinken. „Morgens starte ich mit einem Pott Kaffee. An Tagen, an denen wir die Schulungen anbieten, trinke ich sehr viel Kaffee. Und an den anderen immer noch eine ganze Menge.“
Auch im Urlaub dreht sich alles um Kaffee
Wenn er von „wir“ spricht, meint der 27-Jährige außer sich selbst noch seinen Geschäftspartner Barne Warnken. Der gelernte Wirtschaftsingenieur kümmert sich um den Verkauf und die Wartung von Kaffeemaschinen. Und selbst wenn er im Urlaub ist, lässt ihn das Thema Kaffee nicht los. Einen Urlaubstripp im Frühjahr nach Portugal nutzte er dazu, sich über den dortigen Kaffee zu informieren und über Töpferware, die vielleicht auch mal im eigenen Laden angeboten werden soll.
Aber das ist momentan noch Zukunftsmusik. Im Hier und Jetzt haben die beiden ein anderes, ehrgeiziges Ziel. Die Kaffeewerkstatt Braderup will ihren Beitrag dazu leisten, dass Sylter in den Genuss von besserem Kaffee kommen. Da stellt sich natürlich die Frage, ob es um die Qualität so schlecht bestellt ist auf der Insel. Fabian antwortet darauf mit einer kleinen Anekdote. Ein Kunde aus Berlin habe einmal behauptet, dass es an allen Autobahnraststätten auf dem Weg nach Sylt besseren Kaffee gebe als auf der Insel selbst.
Man schmeckt den Unterschied
Das ist zwar nur das subjektive Empfinden eines Einzelnen. Aber der Barista und gelernte Restaurantfachmann hat ein grundsätzliches Problem ausgemacht: Auf der Insel wechselt in der Gastronomie ständig das Personal. Das gehört zwar einfach zu dieser Branche dazu, aber wenn ein Mitarbeiter ein Unternehmen verlässt, nimmt er auch sein Wissen mit. Und das ist für die Bedienung einer Siebträgermaschine deutlich umfangreicher als bei einem Kaffeevollautomaten. Der Barista kann nachvollziehen, dass sich viele Gastronomen da eher für die einfachere und preiswertere Variante entscheiden. Trotzdem hofft er darauf, dass sich mehr Hotels, Cafés und Restaurants auf der Insel für eine Siebträgermaschine entscheiden und so ihren Gästen einen noch besseren Kaffeegenuss ermöglichen. Denn Fabian Vandrey ist überzeugt davon, dass sich diese Investitionen lohnen, schließlich ist der Unterschied deutlich zu schmecken.
Mit seinen Kursen wendet er sich aber nicht nur an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Gastronomie. Auch der Appartement-Vermieter, der seinen Gästen einen richtig guten Espresso anbieten möchte oder die Privatperson, die endlich mal wissen möchte, wie sie das gesamte Potenzial aus ihrer Maschine rauskitzeln kann, ist in der Kaffeewerkstatt gut aufgehoben und findet in den zahlreichen Kursen auch den für die eigenen Ansprüche.
Zuerst den Workflow verinnerlichen
Mich interessiert besonders der Espresso und so hat der Barista in einem dreistündigen Crashkurs Zeit, einen überzeugten Schwarzteetrinker in die Zubereitung dieses Kaffee-Klassikers einzuweisen, den ich anschließend selbst gerne trinken würde.
Dabei geht es anfangs für mich erst einmal darum, den Workflow zu verinnerlichen, der mit dem Espresso kochen verbunden ist: Kaffee mahlen und abwiegen, das Pulver vorsichtig in den namensgebenden Siebträger füllen, mit einem Leveler (einem kreisrunden, abgeflachten Gewicht) gleichmäßig im Sieb verteilen und dann mit einem Tamper (einem glatten Stempel) zum sogenannten Kuchen zusammendrücken und verdichten. Danach spanne ich den Träger in die Maschine ein, bediene den Hebel für den Flusher und der Kaffee findet über den Auslauf in zwei dünnen Strahlen seinen Weg in die Tasse. Es dauert nicht lange und neben meiner Maschine stehen fünf doppelte Espressi. Den ersten Teil habe ich erfolgreich hinter mich gebracht.
Die Zeit ist die entscheidende Variable
Nun geht es an die Feinheiten des Geschmacks. Neben einer kompletten Espressomaschine samt Tassen kommen jetzt zusätzlich noch ein Timer und eine kleine, flache Waage zum Einsatz. Denn unsere brew ratio (Ja, bei den ganzen Anglizismen lädt das Thema Kaffeekochen unverhohlen zum Klugscheißen ein) soll bei 1 zu 2,5 liegen. Mit anderen Worten: 18 Gramm gemahlener Kaffee sollen mit 45 Milliliter kochendem Wasser zubereitet werden. Diese Werte stehen fest. Die Variable, die jetzt noch verändert werden kann, ist die Zeit, die es zum Kochen braucht.
Sie sollte irgendwo zwischen 20 und 30 Sekunden liegen. Alles, was schneller durchläuft, schmeckt sauer. Braucht es länger, wird es bitter. Der erste so gebrühte Espresso ist nach 22 Sekunden in der Tasse. Das Resultat ist zwar schon ganz okay, aber mir schmeckt er noch ein bisschen zu säuerlich. Damit das Brühen länger dauert, stelle ich den Mahlgrad an der Kaffeemühle ein klitzekleines bisschen feiner ein. So braucht das Wasser länger, um das Pulver komplett zu durchdringen und es werden auch Geschmackspartikel aus dem Kaffee gelöst, die die Süße etwas mehr hervortreten lassen. Der Espresso, der nach 24 Sekunden fertig zubereitet ist, liefert für mich das beste Ergebnis. Die Bestandteile aus Säure, Süße und Bitterkeit sind alle zu schmecken ohne dass einer davon besonders hervorsticht.
Spüli statt Milch
Als nächstes wage ich mich an die Milch und wie sie richtig aufschäumt wird. Um jetzt nicht literweise Milch zu verbrauchen, deren einzige Aufgabe es wäre, nie die richtige Konsistenz von leckerem Milchschaum zu erreichen, übe ich mit Wasser und einem Tropfen Spülmittel. Fügt man dieser Mischung auf die richtige Art Wasserdampf zu, sieht sie am Ende genauso aus wie echter Milchschaum.
Wenn man denn weiß, wie es geht. Die Ansagen vom Barista sind zwar klar – „Ihr müsst die Düse rechts vom Mittelpunkt eintauchen, den Wasserdampf aufdrehen, die Düse bis zur Oberfläche hochziehen, schäumen lassen, dann die Düse wieder herablassen und das Kännchen so schräg halten, dass die Oberfläche in Bewegung kommt und der Schaum sich verdichtet.“ Aber irgendwie irrt der Hahn mit der Heißwasserdüse in meinem Kännchen orientierungslos umher und auch nach dem x-ten Versuch sieht das Ergebnis eher aus wie Schaumbad und nicht wie Milchschaum. Erst nachdem Fabian mir noch ein paar Mal über die Schulter schaut und die Haltung des Kännchens korrigiert, produziere auch ich den richtigen Schaum und darf auf die Milch umsteigen. Die verhält sich überraschenderweise tatsächlich genauso wie Wasser mit Spüli. Schmeckt vermutlich aber deutlich besser.
Die Deko ist am schwersten
Zum Abschluss traue ich mich an die Königsdisziplin – die Dekoration auf dem Cappuccino. Bevor es so weit ist, kommt jetzt alles zusammen, was ich an diesem Tag gelernt habe. Erst bereite ich zwei Espressi nach dem vorher abgestimmten Rezept und Verfahren zu. Danach stelle ich den semiprofessionellen Milchschaum her und fülle die Hälfte davon in ein kleineres Kännchen. Ich nehme die Tasse mit dem Espresso in die linke Hand und gieße den Milchschaum mit der rechten in einem dünnen Strahl in die Mitte der Tasse.
Anschließend bewege ich Kännchen und Tasse aufeinander zu und warte, bis der Milchschaum als kreisrunder Blubb nach oben durch die Crema bricht. Dann hebe ich das Kännchen wieder an und ziehe den Strahl im rechten Winkel durch den Schaum. Der Barista zaubert so ein Herz auf den Cappuccino. Der Anfänger irgendetwas anderes, geometrisch undefinierbares. Fabian betrachtet mein Ergebnis mit einem wohlwollenden „Joa….“
„Gerne einen Cappuccino“
Als wir beide unseren Cappuccino probieren, bin ich dann doch überrascht. Die Ausgewogenheit, die mir schon beim Espresso gefallen hat, wird nun noch abgerundet durch die Cremigkeit des Milchschaums. Fabian hat sein Ziel erreicht. Ich habe gerade einen Schluck Kaffee getrunken und ich kann ohne Einschränkungen sagen, dass er mir wirklich geschmeckt hat. Auch ich zähle mich jetzt zu den Kaffeetrinkern. Sicherlich werde ich nie nach dem Aufstehen erst einmal einen starken schwarzen Kaffee trinken, um für den Rest des Tages in Schwung zu kommen. Da wird mir auch weiterhin mein schwarzer Tee reichen.
Aber ich freue mich, dass die Kaffeewerkstatt Braderup seit dem Frühjahr wieder mit ihrem umgebauten Pferdeanhänger auf Sylt unterwegs ist und ihre Spezialitäten anbietet. Wenn ich dort vorbeischaue, werde ich aus voller Überzeugung einen Cappuccino bestellen und genießen können. Und vielleicht bin ich schon beim nächsten Termin geselliger, wenn ich gefragt werde, ob ich einen Kaffee möchte. Ich werde es dann mal versuchen mit: „Gerne einen Cappuccino, wenn ihr habt.“
Der Verkaufsstand der Kaffeewerkstatt Braderup steht von montags bis freitags, 11 bis 17 Uhr neben der Sylter Landschlachterei in Keitum, Bäderstraße 2. Wer sich für Schulungen interessiert, erreicht Barista Fabian Vandrey mobil unter 0174 3219442 oder per Mail unter fabian@kwb-sylt.com.