Die Nachricht der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal löste Mitte Juli 2021 nicht nur deutschlandweit große Betroffenheit und Anteilnahme aus. Tausende Menschen im Überschwemmungsgebiet in Nordrhein-Westphalen und Rheinland-Pfalz hatten kein bewohnbares Zuhause mehr, 766 wurden verletzt und 134 verloren in den Wassermassen ihr Leben. Diese erschreckenden Bilder von Zerstörung und Verzweiflung aktivierten auch auf Sylt eine Welle der Hilfsbereitschaft.
Spontane Spendenbereitschaft
So initiierten der Verein der Sylter Unternehmer (SU) und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Sylt die gemeinsame Spendenaktion „Sylt hilft“, der sich auch die Inselgemeinden anschlossen. „Auslöser war zum einen die Erschütterung durch das Ereignis, das natürlich auch im SU-Vorstand diskutiert wurde“, erklärt SU-Geschäftsführer Ron Glauth. „Außerdem konnten etliche Mitarbeiter in den Betrieben aufgrund familiärer Beziehungen Berichte von Betroffenen aus erster Hand wiedergeben.“
Deshalb nahm der Verein Kontakt zur Stadtverwaltung im Kreis Ahrweiler auf und erfuhr im dankbaren Austausch mit dem Sprecher der Presseabteilung, Michael Rennenberg, wo die Bedarfe lagen. „Wir haben auch nachgefragt, ob wir mit Sachspenden wie Möbeln oder Kleidung helfen können“, so Ron Glauth, „doch finanzielle Unterstützung wurde am dringlichsten benötigt.“
Insulare Betriebe eingebunden
Man bewarb die Aktion in der lokalen Presse und auf den Social-Media-Kanälen, stellte sie außerdem in einem Rundschreiben den Mitgliedern der Verbände vor. Das Spendenkonto richtete die Gemeinde Sylt ein, zahlreiche Sylter Betriebe hängten Plakate mit den Kontodaten und Infos zur Hilfskampagne aus und baten ihre Kunden mit Spendenboxen um Unterstützung.
Auf diese Weise nahm „Sylt hilft“ rasch und unkompliziert Fahrt auf: Kunden spendeten bereitwillig, Unternehmer rundeten die Summen auf, und mit etwa 170 großzügigen Einzelspenden – darunter auch mehrere Inselgemeinden – wurde die stolze Endsumme von über 120.000 Euro für Bad Neuenahr-Ahrweiler gesammelt.
Gutscheine für Betroffene
Das Geld konnte direkt einer von den Flutopfern sehr gut angenommen Verwendung zugeführt werden: für die Ausgabe von Einkaufsgutscheinen zur Einlösung in der lokalen Wirtschaft. „Dies machte gleich doppelt Sinn – den geschädigten Bürgern wurde ebenso geholfen wie den betroffenen Betrieben vor Ort“, erläutert Michael Rennenberg. Etwa 820.000 Euro insgesamt seien über diese Gutscheine bereits eingelöst worden. Mit einem Teil der Spenden, die die Stadt an der Ahr erreichten, wurde das Projekt „Winterpunkte“ ins Leben gerufen. Hier konnte man zusammenkommen und den dringend benötigten sozialen Kontakt mit gleichfalls Betroffenen aufrechterhalten.
Noch viel zu bewältigen
Denn neben den materiellen Schäden sind auch die psychischen Belastungen groß, wenn das Leben noch ein einziges Provisorium ist. Die Menschen wissen nicht, ob und wann sie ihr Zuhause wieder bewohnen können, trotzdem muss der Alltag mit Job und Schule weitergehen. Immerhin: „Wir haben schon viel geschafft“, freut sich Rennenberg, der für die Stadtverwaltung mit einem Drittel selbst von der Flut in Mitleidenschaft gezogener Kollegen spricht. Die existentielle Versorgung der Menschen mit Wärme, Strom und Wasser konnte beinahe hundertprozentig gesichert werden. Doch bis die zerstörte Infrastruktur, alle Schulen, Kitas und nicht zuletzt Häuser wieder aufgebaut sind, könnten voraussichtlich Jahre ins Land gehen. Umso mehr hoffen die Menschen im Ahrtal, dass ihre Nöte weiterhin in der Öffentlichkeit präsent bleiben und sie auf Hilfe zählen können.