Zwar hatten manche Zuschauer bereits selbst an einem Poetry Slam teilgenommen, doch Besucher, die aus reiner Neugierde am vergangenen Freitag ins Muasem Hüs in Morsum gefunden hatten, waren über die Erklärung des Moderators Tristan Qi dankbar. „Wir zelebrieren das gesprochene Wort.“
Das passiert sehr kreativ, nur nach einigen festen Regeln: Alle vorgetragenen Texte müssen selbst geschrieben sein und ohne Requisiten vorgetragen werden. „Wer über Gammelobst schreibt, darf nicht damit werfen“, veranschaulichte Qi humorig. Die Vortragsdauer war für jeden Teilnehmer auf sechs Minuten beschränkt und sollte vom Publikum mindestens respektvoll aufgenommen werden.
Das Publikum durfte werten
Etwa zur Hälfte besetzt waren die Plätze, was das motivierte Feedback der Zuschauer jedoch nicht schmälerte – gut gelaunt übten sie mit dem Moderator den wertenden Applaus von einem bis zu zehn Punkten. Für die volle Punktzahl „denkt ihr, ihr möchtet den Slammer bei Euch in den Schrank sperren, damit ihr seinen Text immer wieder hören könnt“, scherzte Tristan Qi.
So eingestimmt fand sich auch fix eine Jury aus fünf Freiwilligen, die mit ihrer Wertung drei der sechs Akteure ins Finale befördern sollte. Dabei wurden aus Gründen der Fairness jeweils die beste und schlechteste Wertung gestrichen.
Mal im Film, mal im Leben
Das Teilnehmerfeld bestand aus je zwei Slammern aus Hamburg, Kiel und von der Insel, die auf sehr unterschiedliche Weise einen persönlichen Einblick in ihre Gedankenwelt präsentierten. Anastasia Rutkowska hatte eine Ode ans bewegte Bild geschrieben, weil es sich bei Filmen und Serien „gut einfach mal abschalten lässt“. Obwohl Realität und Fiktion oft beängstigend weit auseinander lägen, seien immerhin die Gefühle dabei echt.
Das Slammen oder „verbale Zuschlagen“ setzte Michelle Boschet in ihrem Vortrag „Sommer ist scheiße“ aggressiv-schnodderig um, bekam aber die Kurve zum ernsthaften Vorwurf, dass Reisen und Konsum mit viel Verschwendung und Verpackungswut verbunden sei.
In Molekülen oder Reimen
Der Chemie-Student Eike Clasen brachte kurzweilig näher, wo sich sein Fachgebiet im Alltag überall wiederfindet – interessant, aber nicht herausragend witzig heimste auch sein Text nicht genügend Punkte für das Finale ein.
Anders die Gedichte des Autors und Weltenbummlers Fritz Schneider: Er wagte sich erstmals mit dem gesprochenen Wort auf die Bühne und verlas Gedichte über seine erste Liebe und Gedanken über den Tod. Wie Schneider konnte ebenso Jens-Uwe Ries die Jury mit seinem Vortrag überzeugen: „Es wird Nacht… ich bin zu müde“, so philosophierte Ries in bedeutungsschwangeren Bildern über verwirrende Wirklichkeitsebenen.
Ein überzeugender Sieger
Ganz nach dem Motto „die letzten werden die ersten sein“ ging es für Luke Monis nach seiner rasanten Beschreibung einer Midlifecrisis mit typischen Klischees wie Rücken und Spießertum direkt ins Finale, in dem er sich dann auch gegen Schneiders Gedichte über dessen USA-Erfahrungen und Ries´ tiefgehende Betrachtungen von gesellschaftlicher Veränderung durchsetzte.
Monis´ kritische und humorvolle Auseinandersetzung mit der vielgepriesenen Work-Life-Balance, die von abgedrehten Kausalzusammenhängen strotzte sowie ein rasantes Tempo und ein spannendes Textkonzept aufwies, sah das Publikum schließlich verdient auf Platz eins.
Der nächste Termin
Wer diesen Abend zwischen ausgeprägtem Sendungsbewusstsein und raffiniertem Aufgreifen von zeitlos oder aktuell interessanten Themen verpasst hat, kann sich schon den nächsten Termin notieren: Am Sonntag, 9. Oktober, wird der Inseltourismusservice Sylt zusammen mit der Veranstaltungs- und Künstleragentur assembleART von 16 bis ca. 18 Uhr erneut Poetry Slammer auf die Bühne im Muasem Hüs einladen.