Der Ortsbeirat Westerland gab den Anstoß
Bei dem Ergebnis handelt es sich aber nicht um illegale Nacht-und-Nebel-Graffitis, sondern um eine von langer Hand geplante, öffentliche Aktion. Den Anstoß dazu hatte der Ortsbeirat Westerland gegeben, an der Umsetzung waren sowohl die Dorfmanagerin Gesa Michaelsen als auch Inseljugendpfleger Holger Bünte beteiligt. Vor etwa anderthalb Jahren wurde das historische Eckhaus mit dem Turm gegenüber der Wilhelmine von dem Hamburger Immobilienunternehmen Becken aufgekauft.
Kurz darauf wurden die Pläne für die Sanierung des Haupthauses sowie den Erweiterungsbau öffentlich. 23 Wohnungen sollen dort entstehen, außerdem rund 720 Quadratmeter Gewerbeflächen im Erdgeschoss, auf denen ab 2021 der Drogeriemarkt Rossmann seine neue Filiale eröffnet.
Ein Bauzaun für die Sylter
Der Ortsbeirat interessierte sich insbesondere für den Bauzaun, der für die Sanierung aufgestellt wurde: „An dieser prominenten Stelle in Westerland darf der Zaun keinesfalls dem Kommerz als Werbefläche dienen“, betonte Kay Abeling in der Ortsbeiratssitzung. Vielmehr solle er den Sylter Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen.
Die Idee, wofür die Fläche genutzt werden könnte, stammte dann von Gesa Michaelsen: Mit der Unterstützung des Inseljugendpflegers wollte sie die verfügbare Fläche nutzen, um Sylterinnen und Syltern eine Stimme zu geben. Diese Idee fand nicht nur die Unterstützung der Sylter Politik und Verwaltung, sondern auch die des Bauherren.
Was den Syltern am Herzen liegt
Was aber liegt den Syltern so sehr auf dem Herzen, dass es ein Jahr lang jedem vorbeilaufenden Einheimischen und Gast ins Auge springen soll? Die Antwort auf diese Frage erarbeitete sie mit einem bunt zusammengewürfelten Haufen aus engagierten Schülerinnen und Schülern sowie ehrenamtlich tätigen Erwachsenen aus Vereinen und Initiativen wie der erst vor kurzem ins Leben gerufenen Bürgerbewegung „Merret reicht’s“, die sich für eine Abkehr von überbordendem Tourismus und Großevents auf Sylt einsetzt.
So verwundert auch nicht das Thema, das Passanten nun auf dem Bauzaun finden können: „Der Tenor unter allen Beteiligten war, dass wir auf Sylt ein wenig Reduktion brauchen – weg von immer größer, weiter, mehr und hin zu mehr Besinnung, Ruhe und Zuwendung zur Natur.“
Die Umsetzung der Malaktion
„Bei der Umsetzung haben wir uns darauf konzentriert, aus einer Fülle heraus zu denken und nicht aus einem Mangel“, erklärte Holger Bünte. „Wir wollten den Fokus des Betrachters darauf lenken, was wir erreichen wollen und wie wir uns die Zukunft auf Sylt wünschen, nicht auf das, was vielleicht falsch läuft.“ Für die künstlerische Umsetzung hatte sich das Team Hilfe von der Sylter Kunstlehrerin Juliane Kotterba geholt, die gemeinsam mit den Beteiligten ein Konzept entwickelte, Schablonen herstellte und die künstlerischen Grundfertigkeiten vermittelte.
Das Ergebnis: Künstlerisch und inhaltlich wertvoll
Das Ergebnis ist nicht nur künstlerisch wertvoll, sondern zeigt auch inhaltlichen Tiefgang. „Zuhören“ ist eines der Worte, die dem Betrachter als erstes ins Auge stechen. Außerdem der Slogan: „Natur darf nicht nur Kulisse sein!“ Fußspuren führen von der Inselsilhouette hin zur Gallionsfigur von „Merret reicht’s“. Maritime und naturnahe Symbole wechseln sich ab mit Begriffen wie „Besinnung“, „Stille“ und dem Hashtag #SylterZeigenGesicht.
„Wie so vieles lebt auch dieses Kunstwerk nicht nur von dem, was man sieht, sondern auch vom Weggelassenen“, erklärt Michaelsen. „Es war ein langer, aber konstruktiver Entscheidungsprozess, bis wir aus einer Fülle von Ideen diejenigen gewählt hatten, die nun auf dem Bauzaun zu sehen sind.“
Eine gemeinsame Vision
So bleibt zu hoffen, dass diese Malaktion nicht die einzige bleibt, in der Sylter Gesicht zeigen. Motivation für eine Fortsetzung entwickelten die Beteiligten indes schon am Sonntag. Während der vierstündigen Malaktion kam die Gruppe schnell ins Gespräch mit Syltern und Gästen. „Genau das wollten wir erreichen“, freute sich Holger Bünte. „Die Türen für alle ganz weit aufmachen, Gästen den Blickwinkel der Sylter näherbringen und Sylter einladen, an einer gemeinsamen Vision mitzuwirken.“