Schon am Dienstag hatte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident verschärfte Corona-Maßnahmen angekündigt, die ab dem Wochenende gelten sollen. Nun hat der Bund nachgelegt und bundesweite Beschränkungen erlassen, die über die Maßnahmen der Landesregierung hinausgehen. Ab Montag, 2. November, bis Ende des Monats soll der Aufenthalt in der Öffentlichkeit nur noch mit den Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstandes gestattet sein. Einzelhandel, Schulen, Kindergärten und Friseure bleiben unter Auflagen weiter geöffnet, alle weiteren Einrichtungen sollen schließen. Den vollständigen Beschluss finden Sie hier.
Tourismusbranche besonders betroffen
Besonders hart trifft es die Tourismusbranche auf Sylt: So sollen neben Einrichtungen im Bereich der Körperpflege und der Freizeitgestaltung auch alle Restaurants, Bars und Diskotheken geschlossen werden. Mehr noch: Übernachtungen zu touristischen Zwecken werden im November komplett verboten. „In den vergangenen Monaten war es nicht jedem Betrieb möglich, den durch den ersten Lockdown aufgebrauchten Liquiditäts-Puffer für den Winter wieder aufzufüllen“, sagt dazu Raphael Ipsen, amtierender Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA Sylt). „Somit wird auch dieser Lockdown ein enormer Kraftakt für die betroffenen Unternehmen. Auch für deren Mitarbeiter, denen nun wieder Kurzarbeit oder ähnliche Einschränkungen bevorstehen, wird es eine sehr harte Zeit mit enormen finanziellen Auswirkungen.“
Die Argumentation der Bundeskanzlerin hält Ipsen für nachvollziehbar. „Die Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) stellen allerdings deutlich dar, dass die Gastro-Branche kein relevantes Infektionsgeschehen aufweist. Gerade die Branche, die große Kraftanstrengungen und Kosten aufgewendet hat, um Hygienerichtlinien einzuhalten, wird in der Außendarstellung fälschlicher Weise an den Pranger gestellt.“ Ihm sei wichtig, die Abhängigkeiten der einzelnen Branchen auf Sylt untereinander deutlich zu machen. „Denn selbst, wenn die anderen Branchen nicht schließen müssen, kommt es einer Schließungsverfügung für alle vom direkten Tourismus abhängigen Betriebe gleich. Die geringe Zahl der Einwohner im Vergleich zum Angebot, lässt einen wirtschaftlichen Betrieb ohne Gäste nicht zu.“
“Verbote müssen der Vergangenheit angehören.”
Aus seiner Sicht sollten Verbote der Vergangenheit angehören: „Es ist schon lange an der Zeit, Konzepte und Vorgehensweisen zu entwickeln, die mit COVID-19 einen größtmöglich normalen Alltag zulassen. Wir müssen akzeptieren, dass dieses Virus ein Teil unserer Welt ist, mit dem wir zukünftig umgehen müssen.“
In der Nachtgastronomie ohnehin ruhig
Für die Nachtgastronomie auf Sylt dürften die Auswirkungen durch die erneute Schließung geringer ausfallen – seit dem Vorfall im American Bistro sei ohnehin nicht mehr viel los gewesen, berichtet Ralf Leskau, Inhaber der Wunderbar in der Westerländer Paulstraße. Nach einer Party mit rund 100 Gästen Anfang Oktober im American Bistro war einer von ihnen anschließend positiv auf Covid-19 getestet worden. Unvollständige und falsche Kontaktdaten der Gäste machten es dem Gesundheitsamt schwer, die Kontaktpersonen ausfindig zu machen (wir berichteten). Glücklicherweise war die Party nicht zum Superspreader-Event geworden: Die rund 100 Personen, die sich zur fraglichen Zeit im Bistro aufgehalten hatten, waren negativ auf Corona gestestet worden.
„Dennoch ist es seitdem auch bei uns ruhig geworden“, erzählt Leskau. Vielfach bekomme er von seinen Gästen zu hören, man wolle jetzt lieber erst einmal abwarten, wie sich die Lage entwickle. „Dabei haben wir bei den jüngsten Überprüfungen fast ohne Mängel abgeschnitten“, erinnert er sich. Neun Betriebe aus der Sylter Club- und Partyszene wurden überprüft, mit teils enttäuschenden Ergebnissen (wir berichteten). „Bei uns wurden einzig die nicht desinfizierten Kugelschreiber beanstandet“, erzählt der Wunderbar-Chef. „Dort haben wir mittlerweile nachgebessert.“ Dass diese Überprüfung kommen musste, stand außer Frage: Immer wieder gab es zuvor von allen Seiten Kritik, dass in der Nachtgastronomie zu wenig kontrolliert werde.
Reha-Aufenthalte weiterhin möglich
Weiterhin geöffnet bleiben dürfen auch Einrichtungen der medizinischen Versorgung. Dazu zählt auch der Reha-Bereich der Asklepios Nordseeklinik, wie das Unternehmen in einer Pressemeldung mitteilte. „Es besteht kein Anlass, notwendige Maßnahmen zu verschieben oder abzusagen“, heißt es darin. „Die Asklepios Nordseeklinik Westerland/Sylt ist auf die aktuelle Situation gut vorbereitet und hat ein strenges Hygienekonzept vorgelegt, das allen Vorgaben der Behörden entspricht.“
„Es ist wichtig, dass Patienten derzeit alle Aspekte ihres Gesundheitszustands im Auge behalten, auch die Grunderkrankung, für die sie die Rehabilitation benötigen“, betont auch Prof. Dr. Uwe Juergens, Chefarzt der Pneumologischen Fachabteilung der Asklepios Nordseeklinik. „Es ist niemandem damit gedient, wenn man aus diffuser Besorgnis massive Beeinträchtigungen des eigenen Gesundheitszustands in Kauf nimmt. Wenn die Notwendigkeit einer Rehabilitation festgestellt wurde, sollten Sie sie auch antreten, unsere Klinik steht bereit und ist offen für Sie.“, sagt Dr. Buhles. „Denn die Grunderkrankung und die damit verbundenen Einschränkungen werden auch nach der Pandemie bleiben.“
Kreis-Hotline überlastet
Der Kreis Nordfriesland sei derweil völlig überlastet, berichtet Nina Rahder aus dem Gesundheitsamt: „1.200 Anrufe an einem Tag – die Corona-Hotline des Kreises Nordfriesland wurde heute geradezu geflutet mit Anrufen. Wir haben aber keine Antworten, weil wir auch nicht mehr wissen als jeder andere Bürger.“ Besonders häufig werde gefragt, ob es ein Abreisegebot für Urlaubsgäste geben werde. „Vielleicht ja, vielleicht nein – mehr können wir dazu nicht sagen, weil die Ministerien jetzt erst dabei sind, die Regelungen auszuformulieren. Am Wochenende sollen sie veröffentlicht werden, und bis dahin müssen wir uns alle gedulden.“