Auf Sylt sollte man die Rolle des Gastgebers beherrschen. Schon die Auszubildenden – nicht nur in direkt mit dem Tourismus verknüpften Betrieben – lernen dies von Anfang an. Es gilt, den Gast auf der Insel willkommen zu heißen. Warum nicht auch denjenigen ein Willkommen und einen guten Start bereiten, die in vielen Fällen genau für diese Aufgabe, für ihre Ausbildung nach Sylt gezogen sind? Letztlich sind doch die Berufseinsteiger die kommende Gastgeber-Generation, ob in Gastronomie, Handwerk oder Dienstleitungsbetrieb – genau genommen sitzen alle in einem touristischen Boot.
Von Azubis für Azubis
Diesen Gedanken setzte die Sylt Marketing Gesellschaft (SMG) 2020 in Form einer Azubi-Crew in die Tat um, die nach dem Motto „von Azubis für Azubis“ gleichzeitig ansprechbar bei Sorgen und hilfreich bei der Freizeitgestaltung sein sollte. So die Idee des eigentlich erfolgreich gestarteten Projektes, das lediglich aufgrund der Einschränkungen durch Corona im vergangenen Jahr wieder etwas einschlief.
SMG-Geschäftsführer Moritz Luft erklärt: „Wir hätten nur weitere Online-Veranstaltungen anbieten können, daran hat ja irgendwann keiner mehr richtig Spaß. Jetzt endlich mal in Präsenz durchstarten, ist Merles Aufgabe.“ Mit Merle Wenzel hat seit Dezember ́21 wieder eine Sylterin die Aufgabe der Crew-Leitung übernommen, und für sie und ihre drei Mitstreiter, die Azubis Max, Jacqueline und Martha stehen die Zeichen in Sachen Präsenz-Veranstaltungen deutlich besser.
Den Einstieg erleichtern
„Wir stellen uns und unsere Aufgaben jetzt persönlich in den Sylter Betrieben vor, was vorher so nicht machbar war“, sagt Merle Wenzel, die sich alle zwei Wochen mit den drei Crew-Mitgliedern trifft, um nächste Schritte und generelle Fragen zur Ausbildung zu besprechen. „Und was jeder so auf dem Herzen hat.“ Denn die drei Auszubildenden sind vom Sinn des Angebotes, das ihnen selbst den Einstieg auf der Insel erleichterte, sehr überzeugt: „Häufig hören wir von anderen, wie schwierig es ist, als Neu-Sylter Anschluss zu finden“, erzählt Max.
Deshalb gibt es auf den Social-Media-Kanälen der Azubi-Crew bereits einen regen Austausch unter den Azubis. Hier postet die Crew auch ihre geplanten Veranstaltungen, berichtet von ihren Ideen, befeuert den Zusammenhalt der Azubi-Community. „Mit wenig Aufwand kann man so viel erreichen“, freut sich Martha. Wenn so hin und wieder ein spontanes Treffen am Strand zustande kommt, ist das wohl das schönste Feedback für die vier Crew-Mitglieder.
Viele Ideen in der Schublade
Etliche Pläne für Veranstaltungen haben die Azubi-Crew und Moritz Luft noch in petto: Sei es ein Steuerkurs oder eine Excel-Schulung, „eben banale Dinge, was man im Leben braucht“, so Merle Wenzel. „Es sollen nicht nur Events sein, wir wollen den Azubis ebenso etwas mitgeben. Die Vorschläge kommen auch sehr gut an.“
Der SMG-Geschäftsführer kann sich außerdem Fahrten nach Römö zum Strandsegeln oder auf das nahe Festland zu Konzerten vorstellen, „um auch einmal über den Tellerrand zu gucken.“ Was Moritz Luft noch etablieren möchte, ist eine offizielle Willkommensparty für die Azubis, ähnlich den studentischen Einführungsveranstaltungen.
Betriebe müssen mitziehen
Was sich Luft und die Azubi-Crew jetzt noch wünschen, ist die Unterstützung von den Betrieben. „Ich erhoffe mir, dass unser Angebot von den Arbeitgebern aufgenommen, honoriert und weitergegeben wird, denn es kommt den Betrieben zugute, wenn ihre Azubis sich hier wohlfühlen“,
so Luft. Die Insel habe insgesamt den Auftrag, den jungen Menschen entgegenzukommen. Das
könnten auch Sportvereine oder andere Institutionen mit Bildungsangebot leisten, indem sie sich zum Beispiel flexibler bei Vertragsdauer zeigten. „Der Anteil der temporär hier Lebenden wird größer, daran sollte man sich anpassen, um vorhandene Talente besser zu nutzen und zu fördern.“
Besuch in der Sturmhaube
Umso erfreulicher ist es, wenn engagierte Betriebe Initiative zeigen und auf die Azubi-Crew zugehen, um zu einem Blick hinter die Kulissen einzuladen. Eine solche Einladung sprachen Felix und Daniel Knochenhauer von der Sturmhaube in Kampen aus, wo sich rund ein Dutzend Azubis Mitte März zu ihrer ersten gemeinsamen Veranstaltung im Jahr 2022 trafen.
Die Brüder, beide dank langjähriger internationaler Ausbildung erfahrene Gastronomie-Profis und trotzdem nahbare Sylter mit Bodenhaftung geblieben, nahmen ihre Besucher mit auf einen Rundgang durch das komplett in Umgestaltung befindliche Kult-Restaurant und weihten sie nicht nur in ihre spannenden Gestaltungsideen ein.
Eigene Wege gehen
„Wir möchten durchaus mit einigen alten Traditionen brechen und etwas frischen Wind ins manchmal steife Kampen bringen“, kündigte Felix Knochenhauer, einer der fünf Gesellschafter der Sturmhaube, an. „Und unsere eigenen Wege gehen“, fügte sein Bruder Daniel hinzu. Sie machten keinen Hehl daraus, dass hier und da auf der Baustelle nicht immer alles gleich glatt gelaufen ist, aber man lerne ja aus seinen Fehlern. „Vor allem wollen wir Spaß haben, wir machen das hier schließlich noch eine Weile. Deshalb sollen die Bedingungen für unsere Mitarbeiter auch fair sein“, betont Felix Knochenhauer.
Ihr eigener Weg schein ganz gut gewählt zu sein, denn für die Teileröffnung ab Mai haben sie bereits zehn Mitarbeiter von der Insel gewinnen können, ohne eine einzige der Mitarbeiterwohnungen stellen zu müssen. Ihre Pläne für die Sturmhaube beziehen nachdrücklich auch Sylter mit ein. „Hier soll nicht nur ein Gebäude neu entstehen, sondern ein Ort, den jeder ohne Berührungsangst aufsuchen mag.“
So trafen die beiden heimgekehrten Sylter den Azubis gegenüber genau den richtigen Ton und weckten Interesse – Nachfragen der Berufsanfänger in Bereichen des Sturmhaube-Projektes, die den jeweiligen Fachbereich ihrer Ausbildung betrafen, beantworteten Felix und Daniel Knochenhauer ernsthaft und ausführlich.
Damit übertraf der unterhaltsame erste Ausflug mit Einblick in einen Sylter Betrieb die Erwartungen noch und begeisterte alle Teilnehmer. Mit dieser Mischung aus Spaß und Information darf es für die Azubis beim Kennenlernen ihres neuen Sylter Lebensumfelds gern weitergehen.