Broschüren und Magazine, die die schönsten Seiten Sylts abbilden, gibt es etliche. Ratgeber mit Tipps für den perfekten Urlaub auch – allesamt an die Gäste der Insel gerichtet. An ihnen mangelt es nicht, wohl aber an Fachkräften, um die Gastgeberrolle im gewünschten Umfang erfüllen zu können. Arbeitgebern aus allen Branchen fehlen Mitarbeiter, junge Sylter verlassen für den Einstieg ins Berufsleben eher die Insel, als zu bleiben.
Dieser Umstand ist gewiss nicht neu, wie die Sylt Marketing Gesellschaft (SMG) sich dieser Problematik mit der Kampagne #inselleben annimmt, hingegen schon.
Weg vom Kastendenken
„Entscheidend für mich ist, dass wir das Kastendenken beenden“, erklärt Moritz Luft. „Wir sollten Urlauber und Einheimische nicht als getrennte Gruppen betrachten. Nach Feierabend ist die Insel für Arbeitnehmer schließlich auch ein Freizeitort.“ Deshalb wolle die SMG mit ihren Infos über Freizeitangebote und insulare Vorzüge alle hier Lebenden erreichen, ob temporäre Urlauber, Saisonkräfte oder Sylter Bürger. Nicht länger nur als attraktive Urlaubsdestination, sondern künftig auch als lebenswerten Beschäftigungsort werde man die Insel künftig darstellen.
Authentische Sylt-Erfahrungen
Auf drei Schwerpunkte konzentriert man sich im ersten Schritt der Kampagne: die Bewerbung des Standortes Sylt mit Arbeitnehmer-Video-Porträts, einen umfassenden Info-Bereich auf der SMG Webseite und eine Ansprechpartnerin für persönliche Gespräche sowie eine neu erstellte Jobbörse.
Wer hier Arbeit und Heimat gefunden hat, kann aus Erfahrung sprechen, positiver wie negativer. Die sehr persönlichen Filme über elf Arbeitnehmer aus unterschiedlichsten Branchen sollten „so natürlich und ehrlich wie möglich werden“, betont Moritz Luft. Deshalb habe man Tom Tautz, freiberuflicher Fotograf und Video-Artist mit Sylt-Einblick, für den Dreh der Videos verpflichtet. „Seine Live-Berichte aus Sylter Unternehmen vor einigen Jahren zeigten, wie groß das Interesse an dem Blick hinter die Kulissen der hiesigen Arbeitswelt ist.“
Es ist kein geschönter Blick – die schwierige Wohnsituation etwa wird neben der Begeisterung für die Insel durchaus auch von den Sylter und Neu-Sylter Arbeitnehmern thematisiert. Zu Wort kommen unter anderem Mitarbeiter aus der Gastronomie, aus der Pflege, dem Schulwesen und dem Handwerk, alle Altersklassen sind vertreten, die Dauer des Sylt-Aufenthaltes ist sehr verschieden. So wird eine große Interessens-Bandbreite abgedeckt.
Insulare Jobbörse
Die in die SMG-Webseite integrierte Jobbörse verwirklicht die seit Jahren in der Schublade liegende Idee, sämtliche verfügbaren Jobs auf Sylt auf einer Plattform abzubilden. In Zusammenarbeit mit dem Online-Marketing-Unternehmen Kimeta ist es geglückt, nicht nur die Stellenangebote aus den vorhandenen Online-Börsen herauszuziehen, auch von den Webseiten der Sylter Arbeitgeber wurden „versteckte“ Jobofferten ans Tageslicht geholt. Mit rund 700 freien Stellen ging die Jobbörse an den Start, drei Wochen später sind bereits fast 1000 eingestellt.
Internationale Ausrichtung
Interessant für alle Sylter Arbeitgeber: Sie können hier kostenlos ihre Anzeige platzieren, geplant sind außerdem Unternehmensprofile. Und es wird über die Landesgrenzen hinausgedacht – auch auf Englisch und Polnisch kann man die Seite lesen, ein weiterer Film mit ausländischen Mitarbeitern soll gedreht werden. „Zweifellos sind wir – nicht nur auf Sylt – immer stärker auf zugewanderte Arbeitskräfte angewiesen“, so Moritz Luft. „Allein aus dem deutschen Markt können wir die freien Stellen einfach nicht mehr besetzen.“
Ihm ist es wichtig, für alle Arbeitnehmer – ortsansässige wie zukünftige – eine Willkommenskultur zu schaffen, sie im neuen Lebens- oder Arbeitsumfeld „an die Hand zu nehmen“. So sind Ratsuchende eingeladen, mit der SMG-Mitarbeiterin Kathrin Barz ein persönliches Gespräch zu vereinbaren, weitere Ansprechpartner aus dem Ausland sollen für den internationalen Part hinzugewonnen werden.
Arbeitgeber-Engagement ist gefragt
Mit der Kampagne der SMG sind natürlich noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, wie Sylt seine Außenwirkung bei potenziellen Arbeitnehmern verbessern kann. „Bei der Wertschätzung von Mitarbeitern gibt es extrem Luft nach oben. Nur pünktlich ein ordentliches Gehalt zu zahlen – damit ist es nicht getan“, moniert der SMG-Geschäftsführer mehr Engagement von den Sylter Arbeitgebern. „Wir brauchen mehr Reflektion und eine gute Unternehmenskultur.“
So werden im nächsten Schritt die Betriebe bei der Entwicklung ihrer Selbstdarstellung unterstützt, dem Aufbau überzeugender Arbeitgebermarken. Im dritten und vierten Schritt will man darüber hinaus noch Hilfe beim aktiven Recruiting anbieten und die Gruppe der Senior Talents ansprechen.
Zufriedenheit ist nachhaltig
Der Rat von Moritz Luft an die Betriebe: „Wenn ihr für Eure Mitarbeiter gute Angebote bereithaltet, kommuniziert das auch!“ Denn noch ist die Reaktion auf die Problematik eher verhalten. „Alle schreien Fachkräftemangel, aber richtig wahrgenommen wird es trotzdem nicht.“ Viel mehr Augenmerk sollte darauf liegen: Wenn die Arbeitnehmer zufrieden sind, wird dies auch der Gast merken und sich gut aufgehoben fühlen.