Seitdem sich die Türen der „Ankerstube“ in der Westerländer Strandstraße 22 zum ersten Mal für kleine und große Besucher öffneten, sind gerade einmal zwei Monate vergangen. Schon in dieser kurzen Zeitspanne ging der Plan der beteiligten Organisatoren voll auf: Sie haben mehr als einen Anlaufpunkt und ein Hilfsangebot für Geflüchtete aus der Ukraine geschaffen, nicht allein auf die akute Krisenlage reagiert.
Die „Ankerstube“ stand und steht vom Eröffnungstag an allen hilfsbedürftigen Menschen offen – ob sie nun Unterstützung im Alltag benötigen, ihre Sorgen loswerden oder einfach nicht einsam sein möchten. Flüchtlinge und Asylbewerber aller Nationalitäten sind hier willkommen, ebenso Sylter Alleinerziehende, Sozialhilfeempfänger und Senioren. Es sollte eben eine Begegnungsstätte sein, und „die Idee der Begegnung hat sich absolut erfüllt“, freut sich Ulrike Körbs, die Ehrenamtskoordinatorin der Gemeinde Sylt.
Neue Räume müssen her
„Darum muss dieses Projekt auch unbedingt bestehen bleiben. Da sehe ich die Gemeinde in der Pflicht“, lautet ihr Appell. Denn Stand jetzt ist die „Ankerstube“ – zumindest räumlich gesehen – in ihrem Fortbestand gefährdet. Von Anfang an war klar, dass die Geschäftsräume nur bis zum 31. Dezember 2022 zur Verfügung stehen würden. Unternehmer Henrik Simonsen, der sie als Inhaber des benachbarten Bekleidungsgeschäftes „Simonsen by Simonsen Sylt“ dem sozialen Projekt bis dahin kostenfrei überlässt, hatte aus dem Vertragsende keinen Hehl gemacht. So kommt nun mit dem Erfolg der internationalen Begegnungsstätte allmählich auch die Sorge um ihren Verbleib.
Gemeinde als Träger?
Ulrike Körbs würde am liebsten die Gemeinde ab 2023 als Träger der „Ankerstube“ sehen, die auch eine hauptamtliche Stelle zur Betreuung des Projektes schaffen solle. Derzeit halten drei 450-Euro-Kräfte, die aus dem Hilfsfond der Facebook-Gruppe Gesucht-Gefunden Sylt (GGS), dem Verein Sylter Unternehmer (SU) und dem Hotel- und Gaststättenverband (DeHoGa) Sylt bezahlt werden, zusammen mit 15 motivierten Ehrenamtlern den Betrieb der Stube am Laufen. Je zwei Personen besetzen die Schichten am Vormittag von 9 bis 11 Uhr und am Nachmittag von 15 bis 18 Uhr, Samstag ist von 9 bis 11 Uhr geöffnet.
Mehr als sachliche Hilfe
Und das Angebot ist umfangreich: gespendete Baby- und Kinderkleindung, aber auch Kleidung für jedes Alter wird kostenlos abgegeben. Für junge Familien, die etwa eine Erstausstattung benötigen, startet GGS schon mal einen gesonderten Aufruf – die Spendenbereitschaft ist bis heute groß. Ebenso leisten die Vertreter der „Ankerstube“ Unterstützung bei dem Umgang mit komplizierten Antragsformularen oder Behördengängen, vermitteln Dolmetscher und haben ein offenes Ohr für Sorgen. Gastfreundlich halten sie immer Kaffee, Tee und etwas Süßes bereit, um für eine einladende Gesprächsatmosphäre zu sorgen. Mit dem Ergebnis, dass unter anderem bereits ein gutes Netzwerk unter den Geflüchteten entstanden ist.
„Am schönsten ist es, wenn hier Kinder aus zehn Nationen zusammen spielen, während die Mütter dabeisitzen und sich bei einem Kaffee unterhalten können“, ist Ulrike Körbs begeistert. Denn natürlich gibt es für die Kinder eine großzügige Spielecke. Sie sind meist das verbindende Element, das auch sprachliche und kulturelle Unterschiede leicht überwindet. Alle Nationen kommen gut miteinander aus, es bilden sich Freundschaften, Sorgen werden gemildert.
Steinige Wege der Bürokratie
Von schweren Lebensumständen hören Ulrike Körbs, Heike Kulk aus dem GGS-Vorstand und Ehrenamtlerin Ina Ulrike Witt täglich: „Wir sind emotional so nah dran, dass wir mittlerweile jedes Problem der Betroffenen auch persönlich nehmen“, sind sich alle drei einig. Insbesondere zähe Bürokratie oder unverständliche Vorschriften würden sie belasten. Wenn beispielsweise Manpower und Güter bereitstünden, aber die offiziellen Regularien eine Umsetzung der direkten Hilfe verhinderten. Auch stünde für Ende Oktober der Ablauf etlicher bewilligter staatlicher Leistungen an – die umständlichen Anträge müssten dann wieder erneuert werden. Dies sei ebenso ein Argument für den Fortbestand der „Ankerstube“, da andere soziale Einrichtungen aus Personalmangel hierbei keine Hilfestellung geben könnten.
Anforderungen an die neuen Räume
„Deshalb sind wir keine Konkurrenz, etwa zur AWO oder zur Flüchtlingshilfe“, betont Ulrike Körbs. „Wir ergänzen diese Institutionen durch unser niedrigschwelliges Angebot.“ Sie sei mit allen im stetigen Austausch, um über künftige Optionen zu sprechen, und werde das Thema einer neuen Heimat für die „Ankerstube“ auf der nächsten Sitzung der Gemeindevertretung Sylt wieder auf den Tisch bringen. Welche Kriterien mögliche Räumlichkeiten erfüllen müssten? „Sie sollten zentral in Westerland liegen, ein WC und mindestens eine Pantry-Küche haben, barrierefrei sein sowie Platz für Babykleidung, einen Spielbereich und Sitzgelegenheiten haben“, fassen Heike Kulk, Ina Ulrike Witt und Ulrike Körbs zusammen. Und sie möchten selbstverständlich die Idee einer Begegnungsstätte für alle weiterführen.
Nicht aufs Ehrenamt allein abladen
Da ist jetzt also Unterstützung aus Politik und Verwaltung gefragt. Denn, nur weil Ehrenamtler und Spender zu außerordentlichem zeitlichem und finanziellem Engagement bereit seien, dürften sich die Entscheidungsträger nicht auf dieser bequemen Lösung ausruhen.
Aber auch über weitere freiwillige Hilfsangebote, insbesondere über die Bereitstellung neuer Räumlichkeiten, wäre die Riege der Initiatoren jederzeit dankbar – wer direkt in der „Ankerstube“ mitwirken möchte, kann sich unter der Nummer 04651- 851550 oder per Mail an ehrenamtskoordination@politik-sylt.de bei Ulrike Körbs melden. Mit Geldspenden auf das Spendenkonto „GGS Förderverein e.V.“ bei der Commerzbank, IBAN: DE 69217418250195662203,
Verwendungszweck: UKRAINER AUF SYLT, kann man ebenso unterstützen wie mit Sachspenden, die man am besten per Mail an info@gesucht-gefunden-sylt.de bei Gesucht-Gefunden-Sylt anmeldet.kostenfre