FKK-Motive nur unter dem Ladentisch
Ein schnöder Urlaubsgruß brachte den Stein ins Rollen – und bereitete den geschäftstüchtigen Sylter Buchhändlern und der gestrengen Justiz arge Bauchschmerzen. 1956 war’s, als die Buchhändler unvorsichtig wurden. Dabei hatten sie kurz zuvor die ausdrückliche Auflage erhalten, die bis dato öffentlich ausgestellten Ansichtskarten mit Nacktmotiven fortan nur noch auf besonderen Wunsch und ausschließlich unter dem Ladentisch zu verkaufen – mit Rücksicht auf die “öffentliche Moral”.
Nicht jedem gefielen die Motive
Aber wie das so ist: Mit der Zeit geriet der fromme Wunsch der Obrigkeit in Vergessenheit und überhaupt: Wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter. Also stellte man die weiblichen Reize wieder ungeniert zur Schau, und das Geschäft boomte. Bis zu jenem folgenschweren Tag im Sommer 1956, an dem ein Urlauber aus Süddeutschland besonderen Gefallen an einer Ansichtskarte und den darauf abgebildeten nackten Tatsachen fand. Das war ein Urlaubsgruß so recht nach seinem Geschmack – und ab ging die Post. Der Adressat aber, ein Kegelbruder, mochte die Begeisterung nicht teilen. Er fühlte sich in seinem Ehrgefühl gekränkt und reichte Beschwerde beim zuständigen Innenminister ein.
Ein Fall fürs Gericht
So kam es im September 1956 zur Verhandlung vor dem Westerländer Amtsgericht. Und tatsächlich: Der Richter erkannte einen “Verstoß gegen das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften”, beschlagnahmte bei dem betreffenden Buchhändler 74 hüllenlose Ansichtskarten und verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 30 Mark. Das letzte Wort aber war damit nicht gesprochen: Der Staatsanwalt legte Revision ein. Prompt revidierte das Oberlandesgericht Schleswig die umstrittene Entscheidung und verwies die Angelegenheit zur erneuten Verhandlung ans Westerländer Amtsgericht zurück.
Wieder alles beim Alten
Das Urteil war ein salomonisches. Die gerichtlichen Anstrengungen wurden eingestellt, die Ansichtskarten wieder unter die Ladentheken verbannt. Somit blieb letztendlich alles beim Alten. Denn nicht allzu lange fristeten die Objekte der Begierde ein Schattendasein – bald schon prangten sie wieder in den Schaufenstern und an den Kartenständern. Der Zeitgeist hatte wieder einmal gesiegt.