Eine bemerkenswerte Bandbreite der Möglichkeiten, Ressourcen zu schonen und Müll zu vermeiden, stellten die Gastgeber eines Vortragsabends im Rahmen der Sylter Nachhaltigkeitswoche vor. Bedauerlicherweise waren der Einladung der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Westerland, der Organisation „Bye Bye Plastik“ und dem jungen Unternehmen „Unverpackt Sylt“ gerade einmal drei Zuhörer gefolgt. Dessen ungeachtet entspann sich ein lebhafter Austausch, der für alle Seiten konstruktiven Input bedeutete.
Ökofaire Kirchengemeinde
Pastorin Anja Lochner eröffnete die Vortragsrunde für die seit 2018 als „ökofair“ zertifizierte Kirchengemeinde: „Nachhaltigkeit ist für mich persönlich eines der Themen, das ich am längsten verfolge.“ Die Kirche erfüllt die Kriterien dieser Zertifizierung, indem sie etwa wiederbefüllbare Opferkerzen verwendet, beim Senioren-Frühstück Produkte aus nachhaltigem Anbau anbietet, Leuchten auf LED umgestellt hat und im Büro Papier einspart.
Ein ökologischer Friedhof
Eine vorbildliche Wende gen Nachhaltigkeit hat sich auf dem Friedhof vollzogen, wie Johannes Sprenger von der Friedhofsverwaltung berichtete. Nicht nur gibt es hier mittlerweile eigene Bienenvölker, wurden insekten-freundliche Pflanzen gesetzt und Nistkästen für Vögel aufgehängt. „Wir wollten weg von industriell gefertigten Düngemitteln. Bis vor zwei Jahren haben wir Torf eingekauft, der aus den Hochmooren Irlands stammte“, erklärt Sprenger.
Die Nachteile dessen konnte er in Zahlen deutlich machen: Rund 1.600 Kilometer Transportweg bis nach Sylt, geschätzte 500 Liter Dieselverbrauch und die Zerstörung eines so wertvollen CO²-Speichers sprachen entschieden gegen Klimaneutralität. Deshalb stieg man auf Pferdemist von Sylter Wiesen um, der unter den Friedhofskompost gemischt als Dünger verwendet wird – eine Win-Win-Situation für alle.

Gemeinsam gegen das Plastik-Problem
Ein weiters Umweltsiegel der Kirchengemeinde spannte den Bogen zu „Bye Bye Plastik“. Als „Changemaker“ zeichnet die Organisation Unternehmen aus, die unter anderem korrekt Müll trennen und auf Einweg-Plastik sowie überflüssige Verpackungen verzichten. „Mit dem Siegel zeigt man Haltung und dass man etwas verändern möchte“, erklärte Gründerin und Walforscherin Steffi Schroeter. Dabei müsse man auch einmal unbequeme Entscheidungen treffen, wenn Veränderungen in Gang gesetzt werden sollen. Aber der Verzicht auf Plastik dürfe nicht nur mit dem erhobenen Zeigefinger eingefordert werden, „sondern solle auch Spaß machen.“
Sie hatte das Projekt „Bye Bye Plastik“ 2018 auf Bornholm ins Rollen gebracht, als sie statt ihrer Forschungsreisen lieber etwas vor Ort für den Schutz der Meere unternehmen wollte. Die Zahlen, die Steffi Schroeter nannte, erschütterten: 18 bis 23 Millionen Tonnen Müll gelangen pro Jahr weltweit ins Meer, sinken zu 85 Prozent auf den Meeresgrund, wo sie sich über Jahrzehnte immer feiner zersetzen. Wenn Plastiktüten & Co nicht vorher von Meerestieren mit natürlicher Beute verwechselt und gefressen werden.
Für die Gefährdung von Tieren durch Müll an Land hatte Heike Werner, Initiatorin der Sylter „Bye Bye Plastik“-Adaption, ein traurig anschauliches Beispiel: Mehrfach habe sie Seevögel gefunden, die von Luftballonschnüren stranguliert worden waren. Regelmäßig kommen bei ihren eigenen Strandspaziergängen und den von ihrer Organisation veranstalten Müllsammlungen Kilo um Kilo Plastik zusammen. Deshalb rät sie zu drei Nachhaltigkeits-Maßnahmen, die jeder leicht umsetzen kann: Leitungswasser trinken, Mehrwegverpackungen nutzen oder noch besser unverpackt einkaufen.
Unverpackt spart Müll
Zu dem Punkt konnte Frauke Bengsch mit ihrem Angebot „Unverpackt Sylt“ viel beitragen. Sie verkauft unter anderem mittwochs und samstags auf dem Wochenmarkt in Westerland eine große Auswahl unverpackter Lebensmittel. Kunden können sich bei ihr Pasta, Nüsse, Mehl, Gewürze und Süßigkeiten sowie vieles mehr in mitgebrachte Gefäße abfüllen lassen.
Weitere Vorteile – neben dem Einsparen von Verpackungsmüll – sprechen für diese Art des Einkaufens: Man kann auch kleine Mengen einkaufen, bekommt lokale Produkte in guter Qualität und erlebt bei Frauke Bengsch noch das persönliche Gespräch, tauscht Erfahrungen aus und hin und wieder sogar ein Rezept. Riesig ist die Nachfrage noch nicht, da „Unverpackt Sylt“ erst im vergangenen Jahr startete. Aber es ist allemal ein guter Anfang. „Manchmal denke ich, was ich mache, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber ich bin einfach jemand, der anfängt und auch weitermacht.“
Mitmachen!
Da ermunterte Anja Lochner mit dem sinnigen Sprichwort „steter Tropfen höhlt den Stein“. Tatsächlich kann man beeindruckt sein, dass trotz oft nur schleppender Verbesserungen sowie vieler politischer und wirtschaftlicher Widrigkeiten Menschen wie diese Referenten ihr Engagement weiter ambitioniert verfolgen. Unterstützung ist dabei natürlich willkommen – auch Privatpersonen ist es zum Beispiel möglich, als „Believer“ die Organisation „Bye Bye Plastik“ zu unterstützen. Und Frauke Bengsch freut sich immer über neue Kunden, die ihr vom gelungenen Kuchen mit unverpackt eingekauften Zutaten erzählen.