Der Mitschnitt des Musikfestivals Kampen Jazz 2024 unter anderem mit Curtis Stigers, Dee Dee Bridgewater, Lee Ritenour und Dave Grusin.
Wenn du bei deinen Inselerkundungen von Kampen aus in Richtung List fährst, schau einmal ganz aufmerksam nach rechts: Schon von weitem siehst du das Schild des Restaurants Vogelkoje. Auf den ersten Blick mag das Wäldchen, in dem das idyllische kleine Traditionsrestaurant liegt, klein und unscheinbar wirken, aber der Schein trügt: Ganze 100.000 Quadratmeter Naturschutzfläche liegen dort am Rand der Lister Straße verborgen und bieten naturkundliche und kulturhistorische Erlebnisse für dich und deine Familie. Wenn du alles in Ruhe erkunden willst, solltest du dir ein bis zwei Stunden Zeit nehmen für einen Spaziergang durch die Vogelkoje. 5,5 Hektar des Naturschutzgebietes bestehen aus Heide, Dünen, Salzwiesen und Wattenmeer. Der Kojenwald und der sich darin befindliche Teich nehmen die restlichen viereinhalb Hektar ein. Bring ruhig deinen Picknickkorb mit: An verschiedenen Stellen entlang des Weges gibt es Gelegenheit, an Picknicktischen auszuruhen und dich zu stärken.
Wenn der Name „Koje“ auch an einen gemütlichen Schlafplatz erinnern mag, war dieser Ort noch bis vor einhundert Jahren keinesfalls ein gemütlicher Rastplatz für Vögel. Der Begriff stammt von dem niederländischen Wort „kooi“, das sich mit „Stall“ oder „Käfig“ übersetzen lässt. Eigentlich müsste sie „Entenkoje“ heißen, denn nach ihrer Eröffnung im Jahre 1767 wurden in der Vogelkoje jedes Jahr bis zu 25000 Enten gefangen und nicht nur an Sylter, sondern auch über die Inselgrenzen hinaus auf dem Festland verkauft. Dass der Name niederländischen Ursprungs ist, hat seinen Grund: „Vogelkojen kommen eigentlich aus Holland“, erklärt Alexander Römer. Als Museumsleiter kümmert er sich um die Vogelkoje als eines von vier Museen, die heute in der Verantwortung des Sylter Heimatvereins „Sölring Foriining“ liegen. Für die damaligen Betreiber der Vogelkojen war der Entenfang ein so lohnendes Geschäft, dass sich das Konzept bis nach Nordfriesland verbreitete: 1732 ist in Oevenum auf Föhr die erste Vogelkoje auf den nordfriesischen Inseln in Betrieb genommen worden, 35 Jahre später folgte mit der Kampener Vogelkoje die erste von insgesamt drei Vogelkojen auf Sylt. Auch die Eidum Vogelkoje im Süden Westerlands kann man noch heute besuchen. Von der dritten Vogelkoje weit im Süden Rantums sind heute nur noch ein Teich und ein paar Büsche übrig.
Doch wie haben sie funktioniert, die historischen Entenfanganlagen? Zentrales Element war der Teich in der Mitte. Abgerichtete Lockenten sorgten dafür, dass sich ihre wilden Artgenossen auf ihrem Vogelzug dort niederließen. An den vier Seiten des Teiches befanden sich die vier Fangpfeifen: Mit Netzen überspannte Konstrukte, die zum Ende hin immer enger wurden und in die die Tiere hineingetrieben wurden. Von dort aus gab es kein Zurück mehr: Am Ende landeten die Tiere in den Reusen – und später im Ofen. So ging es rund 200 Jahre, bis die Vogelkoje 1921 ihren Betrieb einstellte: Die Industrialisierung und nicht zuletzt auch die zunehmende Militärpräsenz in direkter Nachbarschaft sorgten dafür, dass sich immer weniger Zugvögel anlocken ließen. Von den ursprünglich 25000 Enten war die Fangquote zum Schluss auf nur noch 3000 Exemplare geschrumpft – ein wirtschaftlicher Betrieb der Fanganlage war damit nicht mehr möglich.
Nur 16 Jahre später wurde das Gebiet zum Naturschutzgebiet erklärt. Heute ist das Areal im Besitz der Gemeinde Kampen und wird von der Sölring Foriining gepflegt und als Freiluftmuseum betrieben. Und auf dem „Naturpfad Vogelkoje Kampen“ gibt es tatsächlich jede Menge zu entdecken: Während man auf Holzstegen durch das älteste Waldgebiet der Insel spaziert, gibt es links und rechts des Weges zahlreiche „Mitmachstationen“, an denen die Natur der Vogelkoje aktiv erforscht werden kann. Unterwegs lassen sich neben den Enten mit etwas Glück auch Waldeidechsen, Frösche und Kröten entdecken und zudem zahlreiche seltene Pflanzenarten wie den vom Aussterben bedrohten Königsfarn. Ramona Ressel von der Sölring Foriining gibt Führungen durch das Gebiet und kennt sich genau aus mit dem, was in dem Wald kreucht, fleucht und wächst: „Zu den besonderen Baumarten in der Vogelkoje Kampen zählt die Moorbirke“, erklärt sie. Wer sich ihre Krone genau anschaut, entdeckt darin sogenannte „Hexenbesen“: Wild wuchernde Verästelungen, die aussehen, als hätte sich eine Hexe mit ihrem Besen in den Ästen verfangen. Ihr Ursprung? „Ein Schlauchpilz, der bei den Bäumen zu einer Wachstumsstörung führt“, klärt die Bundesfreiwilligendienstlerin auf.
Diese und mehr Informationen über die Natur und die spannende Kulturgeschichte der Kampener Vogelkoje kannst du nicht nur auf dem Pfad durch den Wald, sondern auch in den zwei Ausstellungshäusern erfahren, wo es besonders für Kinder jede Menge zu entdecken und mitzumachen gibt. Oder du nimmst an einer der Führungen teil, bei der du Ramona Ressel und ihr umfangreiches Wissen vor Ort persönlich kennenlernen kannst. Auch eine der Fangpfeifen lässt sich bei einem Besuch der Kampener Vogelkoje als originalgetreue Nachbildung aus der Nähe betrachten – Enten werden damit heute selbstverständlich keine mehr gefangen. Dafür lassen sich die Vögel wunderbar beobachten: Am besten von der „Hide“ aus, einem kleinen Holzverschlag mit großer, zum Teich gerichteter Fensterfront. Die Kampener Vogelkoje ist von April bis Oktober für einen sehr fairen Preis zu besuchen: Lediglich vier Euro zahlen Erwachsene, Kinder dürfen schon für zwei Euro auf Entdeckungsreise gehen. Am Ende landest du wieder dort, wo du den Ausflug gestartet hast: Am Restaurant Vogelkoje, wo du zum Abschluss eine kleine Stärkung zu dir nehmen oder bei einem Glas Wein auf der Terrasse den Tag ausklingen lassen kannst.