Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen, „Merret reicht’s“-Gründerin Birte Wieda, Stadtentwicklungsexperte Uwe Mantik von der Cima Beratung + Management GmbH sowie Kampens stellvertretender Bürgermeister und Dehoga Sylt Vorsitzender Dirk Erdmann befassten sich letztlich aber mehr mit der Frage: „Wie bekommen die Sylter ihre Insel zurück?“
Gutachten liefert den Beweis
Denn dass sie ihnen nicht mehr gehört, ist nicht nur ein Gefühl, dass sich bei vielen Einheimischen in den letzten Jahren und vielleicht schon Jahrzehnten verfestigt hat. Seit dem Gutachten der Cima Beratung + Management GmbH haben es die Sylter auch schwarz auf weiß: Das Verhältnis von Dauerwohnraum einerseits und Ferien- sowie Zweitwohnungen andererseits ist längst aus dem Gleichgewicht und nur der sofortige Genehmigungsstopp für den Bau von weiteren Hotels und Appartements auf der Insel könnte dieser Entwicklung etwas entgegenstellen.
Bereits im Mai wurde das Gutachten und das damit verbundene Beherbergungskonzept vorgestellt. Auf der damaligen Sitzung des Bauausschusses klang es tatsächlich so, als ob die Politiker es schnellstmöglich umsetzen wollten. Passiert ist seitdem allerdings wenig. Ganz im Gegenteil – auf der jüngsten Sitzung des Bauausschusses wurde der Bau eines großen Hotels auf dem ehemaligen Gelände der Esso-Tankstelle am Westerländer Bahnhof beschlossen.
„Sylt ist gekippt“
Und so musste Uwe Mantik von der Cima sich der Frage stellen, ob das Beherbergungskonzept nur eines von vielen sei, das am Ende doch nur wieder in der Schublade verschwindet. Er machte deutlich, dass es durchaus Wege gebe, um der aktuellen Entwicklung entgegenzuwirken, auch wenn er erklärte: „Sylt ist gekippt“. Entscheidend sei aber, dass der politische Wille formuliert werde, das Beherbergungskonzept tatsächlich umsetzen zu wollen. Unabhängig davon, was aufgrund von Verordnungen und Gesetzen dann möglich sei, habe diese Willenserklärung seitens der Politik eine Signalwirkung für den gesamten Prozess.
Claus Ruhe Madsen, der in der Kieler Staatskanzlei neben der Wirtschaft auch für die Ressorts Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus verantwortlich ist, gab konkrete Empfehlungen, wie Sylt mit der aktuellen Situation umgehen sollte. Erstens müsse man in Lösungen und nicht in Problemen denken. Zweitens brauche man einen Plan, der sich nicht nur mit dem Heute beschäftigt, sondern auch damit, wo man in einem oder zehn Jahren stehen wolle. Drittens rief er die Insulaner dazu auf, bei der nächsten Kommunalwahl im Mai 2023 auch tatsächlich wählen zu gehen. Denn wenn die Wahlbeteiligung wie bei der letzten Wahl bei nur 40 Prozent liegen sollte, habe man als Bürger kein Recht dazu, die Arbeit der Politik zu kritisieren. „Dann muss man die nächsten Jahre still sein.“
Tourismus und Investment
Birte Wieda war zwar selbst in der Politik aktiv. Die dort gemachten Erfahrungen haben sie jedoch dazu bewogen, einen anderen Weg zu gehen, der mit still sein jedoch nichts zu tun hat. In verschiedenen Bürgerinitiativen war sie bereits Mitglied, vor zwei Jahren hat sie dann einen Leserbrief darüber geschrieben, was ihr auf der Insel missfällt. Dies war die Geburtsstunde von „Merret reicht’s“. Die Goldschmiedin wies darauf hin, dass es auf der Insel schon lange nicht mehr nur um Tourismus gehe, sondern um das Thema Investment und dass es besonders schwer sei, dieses zu verhindern, wenn es nicht im Sinne der Insulaner getätigt werde.
Dirk Erdmann hat in Kampen bereits vor zwölf Jahren die Erfahrung gemacht, dass man baurechtlich in seiner Gemeinde keine Möglichkeit habe, das aktuelle Verhältnis von ein Drittel Erstwohnsitzen zu zwei Dritteln Zweitwohnsitzen zu verändern. Dennoch gibt er dem Beherbergungskonzept eine Chance. Wenn es mittlerweile neue Möglichkeiten gebe, sei er offen dafür, es auch in Kampen anzuwenden.
Eine Liste für den Minister
Wirtschaftsminister Madsen erklärte gleich zu Beginn der Diskussion: „Ich bin nicht heute Abend hier, weil ich eure Probleme lösen kann. Aber ich kann hinhören, ich kann aufnehmen und verstehen.“ Zum Abschluss rief er die Anwesenden dazu auf, ihm konkrete Probleme zu nennen oder über Dinge zu informieren, die er dann direkt mit Ministerpräsident Daniel Günther besprechen könne. Damit dies in geordneten Bahnen verläuft, bat er Susanne Matthiessen darum, eine Liste zu erstellen, die alle Punkte beinhaltet.
Und an dieser Aufstellung sitzt die Sylterin nun. „Viele Wünsche und Problembeschreibungen gehen gerade bei mir ein“, erklärte sie am Morgen nach der Diskussion auf Anfrage. Die Veranstaltung wertet sie als Erfolg: „Angesichts der komplexen Probleme, die Sylt vor der Brust hat, können wir ein bisschen Rückenwind aus Kiel gut gebrauchen. Ich habe mir einen Mutmacher gewünscht, und wir haben einen Mutmacher bekommen.“
Während der Diskussion wurde von allen Seiten gefordert, dass die Insel gemeinsam handeln und mit einer Stimme sprechen müsse. Für Susanne Matthiessen war die gestrige Veranstaltung auch da ein Schritt in die richtige Richtung. „Ich finde, der Abend hat eindrucksvoll bewiesen, dass es auf Sylt immer noch eine Gemeinschaft gibt, die es zu pflegen und zu schützen gilt.“