Die Kommunalwahl auf Sylt live erleben - am Sonntagabend ab 18 Uhr im Muasem Hüs und im Livestream auf Sylt24.TV. Interviews, Prognosen und Ergebnisse, moderiert von Oliver Sippel und präsentiert von den Morsumer Kulturfreunden und Sylt24.TV.
Jetzt ist Schluss mit der vielen Arbeit. Dieser Satz beschreibt die aktuelle Lebenssituation von Wolfgang Jensens sehr gut, denn vor wenigen Tagen ist der 75-Jährige in den Ruhestand gegangen. 48 Jahre hat er bei Kress und Hansen gearbeitet und auch sein politisches Engagement hat er in den letzten Wochen runtergefahren. Dazu gehörte auch, dass er nach 30 Jahren den Vorsitz des Finanzausschusses der Gemeinde Sylt niedergelegt hat.
„Jetzt ist Schluss mit der vielen Arbeit“ bekam Wolfgang Jensen aber schon vor rund 30 Jahren einmal zu hören – damals von seinen Kindern. Mit Mitte 40 hatte er zu der Zeit als Prokurist und Abteilungsleiter lange Arbeitstage, nicht selten bis 19 Uhr und politisch aktiv war er auch damals schon. Darunter litt seine körperliche Fitness, und als er dann noch die Ansage von seinen Kindern erhielt, war ihm klar: Er muss etwas ändern.
Er suchte sich einen Sport, der mit seinem vollen Terminkalender vereinbar war. „Als Jugendlicher habe ich gerne Handball gespielt. Mit meinen ganzen Verpflichtungen habe ich das als Erwachsener aber nicht mehr hinbekommen“, erinnert Jensen sich. Und so landete er beim Laufen.
„Zuerst nur eine Minute und dann war ich schweißgebadet“, schmunzelt Jensen über seine Anfänge. Aber er blieb dran, trainierte – manchmal zusammen mit seinen Kindern – und ein paar Jahre später bestritt er in Köln seinen ersten Marathon. „Das hat Spaß gemacht und meinen Ehrgeiz geweckt“, erklärt Jensen weiter.
So nahm er danach regelmäßig am Marathon in Hamburg teil und auch den Syltlauf bestritt der gebürtige Lister einige Male, zuerst in der Staffel und später auch als Einzelläufer. Die ganz langen Strecken läuft Wolfgang Jensen mittlerweile zwar nicht mehr, aber ein- oder zweimal in der Woche eine Runde über zehn Kilometer stehen sogar heute noch auf dem Programm.
Einen langen Atem beweist er aber nicht nur beim Sport oder als langjähriger Arbeitnehmer bei einem Unternehmen. Auch in der Politik war seine Ausdauer gefragt. 1973 in die CDU eingetreten engagierte er sich bei der Jungen Union auf Sylt und war kurzzeitig deren Kreisvorsitzender. 1974 begann mit dem Sitz im Schul-, Jugend-, Kultur- und Sportausschuss die politische Arbeit in der Stadt Westerland, nach der Fusion im Jahr 2009 für die Gemeinde Sylt. Wenn man ihn fragt, in welchen Gremien er in den vergangenen fast 50 Jahren aktiv war, ist es für Jensen einfacher aufzuzählen, was er nicht gemacht hat. „Im Umwelt- und im Feuerschutzausschuss habe ich nicht gesessen, ansonsten war ich überall dabei – wenn nicht als aktives Mitglied dann zumindest als Vertreter.“
Und die Arbeit als Politiker hat sich in dieser Zeit sehr verändert, gerade in den letzten Jahren, meint Jensen. „Dadurch, dass immer mehr Fraktionen in den Gremien sitzen, ist es schwieriger geworden, sich zu einigen oder einen Kompromiss zu erarbeiten, den alle mittragen können. Das ärgert mich, weil dann oftmals die Sachlichkeit verloren geht. Heutzutage geht das dann oft ins Persönliche und das mag ich nicht“, erklärt Jensen.
Aber nicht nur die Art und Weise, wie die Mandatsträger heute miteinander umgehen, haben sich verändert. „Früher gab es in den Sitzungen keine endlosen Debatten. Da ist man schneller auf den Punkt gekommen. Heutzutage wird vieles vertagt und verschoben. Wir diskutieren so lange, bis wir alles zerredet haben. Das schadet nicht nur dem Ansehen der Politik, sondern kostet uns oft auch viel Geld.“
Als Beispiel nennt er die geplante Zentralisierung der Verwaltung: „Dafür gab es schon in der letzten Legislaturperiode einen Anlauf und jetzt wieder. Damals plante man das neue Verwaltungsgebäude noch mit acht oder zehn Millionen Euro. Ich gehe davon aus, dass es jetzt deutlich mehr kosten wird.“
Auch die aktuelle Haushaltslage hat ihm in den vergangenen zwei Jahren die Arbeit als Vorsitzender des Finanzausschusses nicht gerade leichter gemacht. Er blickt zwar auf eine gute Zusammenarbeit mit der Verwaltung zurück, hätte sich beim Thema Interimshaushalt allerdings gewünscht, dass die Selbstverwaltung früher eingebunden worden wäre. „Vielleicht hätten wir dann Maßnahmen ergriffen, die zu einem anderen Ergebnis geführt hätten.“
Er betont aber dennoch, dass die aktuelle Situation nicht der Grund für seinen jetzigen Rückzug ist. „Beruf und Politik bringen eine hohe Belastung mit sich und ich kann verstehen, wenn man einen 75-Jährigen nicht mehr so gerne in so verantwortungsvollen Ämtern sieht. Wenn jetzt der Nachwuchs ran will, bin ich der Letzte, der sich dagegen wehrt.“
Für die Zeit im Ruhestand hat Wolfgang Jensen noch keine großen Pläne geschmiedet. Mit seiner Frau möchte er Deutschland bereisen und laufen möchte er auch wieder häufiger. Außerdem hat er zwei Enkel, die in der Lüneburger Heide wohnen. Die möchte er jetzt ebenfalls öfter sehen. Und selbst wenn es seine Familie nicht wirklich gern hören mag – so ganz hat er mit der Politik noch nicht abgeschlossen. „Ich habe momentan zwar einen kompletten Rückzug geplant, aber vielleicht übernehme ich ja doch noch ein bürgerliches Mandat“, lässt Wolfgang Jensen sich eine Hintertür offen.